Erneuerbare Energien
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Gesellschaft

Nachhaltigkeit in Zeiten von Corona – in welche Richtung bewegen wir uns? Interview mit Ørsted

27.05.2020

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Coronakrise auf die Umstellung zu mehr Nachhaltigkeit? Darüber haben wir mit Martin Neubert von Ørsted gesprochen.

Der dänische Energiekonzern Ørsted ist nicht nur einer der größten Energiekonzerne in Nordeuropa, sondern auch mit dem Prädikat „nachhaltigstes Unternehmen der Welt“ ausgezeichnet worden. Der Konzern verabschiedet sich nämlich von fossilen Brennstoffen und investiert nur noch in erneuerbare Energien.

Über den Weg zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt, was Nachhaltigkeit in Unternehmen ausmacht und welche Auswirkungen die aktuelle Coronakrise auf die Umstellung zu mehr Nachhaltigkeit hat, haben wir mit Martin Neubert, CEO-Offshore von Ørsted, gesprochen.

Handelskammer: Ørsted ist 2020 zum nachhaltigsten Unternehmen der Welt gekürt worden. Das haben Sie erreicht durch eine Umstellung von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien, hierbei besonders auf Windenergie. Wie sind Sie so weit gekommen?

Vor 10 Jahren hat sich Ørsted noch auf die Verstromung von Kohle konzentriert. Hier galt das Unternehmen global als Technologieführer. 2009 haben wir dann in Deutschland immer stärkeren Widerstand gegen Kohlekraftwerke erlebt und der Klimagipfel in Kopenhagen hat uns auch den Veränderungsdruck gezeigt. Das hat uns damals dazu bewogen, die Entwicklung von neuen Kohlekraftwerken komplett einzustellen.

Wo sollte die Reise dann hingehen? Für uns war klar, dass erneuerbare Energien der richtige Weg sind. Hierbei haben wir unsere Kompetenzen besonders im Bereich Windenergie, und insbesondere Offshore Windenergie, gesehen. In den Jahren 2008/2009 waren wir damit ein Pionier unter den großen Energieunternehmen. Wir waren die Einzigen, die beschlossen haben, die Investitionen auf diesen Bereich zu konzentrieren.

Die Vision entstand, unsere Verstromung von 85 % fossil innerhalb der nächsten 30 Jahre auf 85 % erneuerbare und nur noch 15 % fossil umzustellen. Dieses Ziel haben wir dann tatsächlich schon innerhalb von 10 Jahren geschafft: Ende 2019 hatten wir 90 % unserer Verstromung auf erneuerbare umgestellt.  

2016/17 haben wir zusätzlich beschlossen, unseren Öl- und Gasbereich abzustoßen und uns komplett auf Erneuerbare Energien zu fokussieren. Die aktuellen Ziele sind jetzt, 2023 komplett aus der Kohle auszusteigen und 2025 in unserer Energieerzeugung klimaneutral zu werden. Außerdem wollen wir unseren gesamten globalen CO2-Footprint, einschließlich der globalen Lieferketten, bis 2040 klimaneutral machen. Da sehen wir uns auch im Verhältnis zu den anderen Energieunternehmen schon in einer sehr starken Vorreiterrolle. Das ist der Hintergrund, warum wir von Corporate Knights zum nachhaltigsten Unternehmen gekürt wurden.

Handelskammer: Die Coronakrise hat viel verändert. Wie ist Ihre Einschätzung: Werden wir durch die Krise klimafreundlicher oder bedeutet die Krise einen Rückschlag für den Klimaschutz?

Ich habe die Hoffnung, dass die Coronakrise zu einer Beschleunigung führt. Ich habe allerdings auch Bedenken, dass politische Entscheidungsträger wegen der schweren Wirtschaftskrise schnellstmöglich zum Status Quo zurückkehren wollen. Wenn wir wirklich nachhaltig und langfristig denken wollen, dann sollten wir nicht so schnell wie möglich zu einem System zurückkehren, das wir sowieso reformieren wollten. Die Krise ist dann doch eine gute Möglichkeit, die Reformbemühungen zu beschleunigen.

Jedoch denke ich schon, dass man da global nicht überall die gleiche Denkweise verfolgt. Aus der EU-Kommission hören wir den klaren Willen, den European Green Deal zu einem zentralen Bestandteil des Covid-19 Recovery-Plans zu machen. Aber ob die Mitgliedsländer auch in diese Richtung gehen möchten, ist schwer zu sagen. Wenn man mit größeren Unternehmen aus verschiedenen Industriezweigen spricht, steht jedoch fest, dass der Fokus auf Nachhaltigkeit nur noch zunehmen wird, weshalb viele schon jetzt damit anfangen, sich auf Nachhaltigkeit zu konzentrieren. Aus diesem Grund bin ich da tatsächlich optimistisch.

Handelskammer: Was sind die wichtigsten Komponenten für Unternehmen, um klimafreundlich und nachhaltig zu arbeiten?

Bei Ørsted haben wir uns sehr stark auf die Entwicklung einer Sustainability-Strategie konzentriert. Hier haben wir uns alle unsere Unternehmens- und Betriebsabläufe angeschaut und detailliert unseren CO2-Footprint ermittelt. Auf dieser Basis haben wir überlegt, wie man in den einzelnen Bereichen nachhaltiger werden kann. Dabei haben wir großen Wert darauf gelegt, mit konkreten Zielen zu arbeiten. Der Hauptanteil an unserem CO2-Footprint nimmt natürlich die Stromerzeugung in Anspruch, aber auch unsere Betriebsabläufe haben wir angeschaut, z.B. bei der Verbrauch von fossilen Brennstoffen bei Schiffen im Bereich Betrieb und Wartung unserer Windparks auf See.  

Es geht also in Unternehmen darum eine 360 Grad-Analyse des eigenen CO2-Footprints zu machen und dann zu schauen, in welchen Bereichen dieser Footprint sehr groß ist und wie man in diesen Bereichen nachhaltiger werden kann. Man muss versuchen, konkret etwas zu ändern. Und das muss transparent und nachvollziehbar intern und extern kommuniziert werden.

Ørsted ist Premium Partner der AHK Dänemark und spricht zum Jahrestag 2020.